Notebook im Unterricht
Die untenstehenden Überlegungen liegen nun (November 2009) schon 2 Jahre zurück.
Meine Einstellung zum Thema "Computer im Unterricht" hat sich in dieser Zeit nicht geändert.
Folgende
Überlegungen sollten aber auf Grund der technischen Entwicklung,
die ich in der Zusammenfassung auch gefordert habe, erwogen werden:
Sogenannte Netbooks (kleine Notebooks mit ca. 10" Bildschirmdiagonale und einer Masse von ca. 1 kg ) haben in kürzester Zeit den Markt erobert.
Diese Geräte sind für den Schulunterricht sehr geeignet:
- Die technischen Eigenschaften genügen schulischen Belangen vollkommen,
- die
Geräte passen in jede Schultasche (Abmessungen und Gewicht
sind vergleichbar mit den Größen eines dickeren Schulbuchs),
- der Preis ist vergleichbar mit den Ausgaben für eine 4-tägige Klassenfahrt,
- beim
Kosten-Nutzen-Verhältnis liegen die kleinen Computer im Vergleich
mit den grafikfähigen oder CAS-Rechnern, die verbindlich
eingeführt werden, eindeutig an der Spitze.
Es
ist also zu überlegen, ob sich nicht alle Schülerinnen
und Schüler ein sogenanntes Netbook verbindlich anschaffen sollten.
Damit würde die Sonderstellung der Notebooks in den Notebook-Klassen aufgehoben werden.
Es
wäre nicht mehr "Pflicht", die Notebooks einsetzen zu
"müssen", sondern man "dürfte" die Computer als allgemeines
Arbeitsmittel benutzen.
Der Umgang mit den Computern würde
entkrampft und die Ziele, die mit dem Computereinsatz verbunden werden,
könnten selbstverständlicher erreicht werden.
Vor
4 Jahren (2003) wurden die ersten beiden Notebook-Klassen in der
Klassenstufe 7 an unserer Schule (Graf-Friedrich-Schule, Gymnasium des
Landkreises Diepholz) eingerichtet.
Zuvor gab es schon
Notebook-Klassen in der 11. Klassenstufe.
Die
Notebooks werden von den Familien der beteiligten Schülerinnen
und
Schüler privat angeschafft, stehen im Unterricht
ständig zur Verfügung
und werden grundsätzlich in jedem Unterrichtsfach zur
Unterstützung des
Lernprozesses im Unterricht und zu Hause eingesetzt.
Wie bei
grundlegenden Neuerungen häufig zu beobachten, tritt nach
einer
euphorischen Anfangsphase eine Zeit der Ernüchterung ein.
Dann
wird es Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie sinnvoll
die
Neuerung war und ist, hier also ein Lernen mit ständiger
Computerunterstützung.
Kritik von Schüler-, Eltern-
und anderer Seite und meine Stellungnahme dazu findet man hier.
Hier soll nicht das wiederholt
werden, was von kompetenterer Seite vielfältig aufgearbeitet
wurde.
Meine
folgenden Ausführungen basieren auf subjektiven Beobachtungen
und
Einschätzungen aus einer etwas mehr als 20-jährigen
Arbeit mit
Computern im Unterricht, davon 4 Jahren mit Notebooks.
Computer sind aus unserem Leben
nicht mehr wegzudenken.
Sowohl im privaten als
auch im
Arbeitsbereich werden die Fähigkeiten der
informationsverarbeitenden Maschinen intensiv genutzt.
Der Siegeszug der
Rechner erfolgte, weil dadurch die Fähigkeiten des Menschen in
ungeahnter Weise erweitert wurden.
Aus
dem gleichen Grund ist wohl auch die teilweise vehemente Ablehnung der
Computer zu erklären, da diese "intelligenten" und "toten"
Maschinen
unsere geistigen Fähigkeiten mühelos in den Schatten
stellen und damit
in der Einschätzung vieler Menschen unser Selbstbild
beleidigen.
Fakt
ist: Computer sind dazu geeignet, für unsere Denkprozesse eine
ähnliche
Rolle zu übernehmen wie Brillen für unsere Augen oder
Hörgeräte für
unsere Ohren.
Computer helfen uns,
Leistungen auf gedanklichem Gebiet vollbringen zu können, die
uns sonst nicht möglich wären.
Hier nur einige wenige Beispiele:
Der Computer ermöglicht
es uns,
- aus einer
Vielzahl von Dingen Elemente mit besonderen Eigenschaften
herauszufiltern,
- den Überblick
über lange Zahlenkolonnen zu behalten, indem man die Werte
graphisch oder ordnend aufbereitet,
- uns
viele simple immer wiederkehrende Rechenarbeiten abzunehmen, damit wir
uns auf wichtige höherstehende Überlegungen
konzentrieren können,
- mehr Variationen
eines Problems in kurzer Zeit durchzuspielen,
als sonst in einem ganzen Menschenleben zu untersuchen wären,
- Texte und Präsentationen erstellen zu
können, die
leicht und schnell überarbeitet und aktualisiert werden
können,
- Kontakte
mit Fachleuten, Arbeitskollege und Bekannten herzustellen und zu
pflegen, so dass auch bei räumlicher Entfernung zusammen
gearbeitet und
geplant werden kann,
- Informationen zu
Suchbegriffen zu
erhalten, die in einer Grundmenge von Begriffen enthalten sind, die
jeglichen Lexikonumfang sprengen würde.
Die
(unvollständige) Auflistung bedeutet meines Erachtens
für die Schule
geradezu eine Pflicht, den Schülerinnen und Schülern
die Möglichkeiten
der Computerunterstützung beim Lernen zu ermöglichen.
Die Erlangung
wichtiger Kompetenzen im Bereich der Datenverarbeitung und die
Möglichkeit, diese Kompetenzen für eigene Zwecke
(z.B. für das Lernen)
einzusetzen, darf Schülern nicht verwehrt werden.
So findet man auch
in den neuen Rahmenrichtlinien bzw. den curricularen Vorgaben
für den
Unterricht vieler Fächer den expliziten Hinweis auf den
verpflichtenden
Einsatz neuer Technologien im Unterricht.
Sicher wird der Computer
nicht in jedem Unterrichtsfach im gleichen Umfang eingesetzt werden,
aber wenn man bedenkt, dass auch in Nicht-Laptop-Klassen Referate,
Facharbeiten und andere Ausarbeitungen selbstverständlich in
gedruckter
Form oder als Computer-Präsentation vorgelegt werden
müssen, hat jedes
Fach die Aufgabe, einen Teil zur Kompetenzbildung im Bereich einer
verantwortungsbewussten und effektiven Nutzung des Computers
beizutragen.
Auf Grund dieser
Überlegungen wurden so auch schon
Ende der 80-er Jahre in Niedersachsen Fortbildungen unter dem Thema
"Neue Technologien und Schule" fächerspezifisch
durchgeführt.
Ob
nun den Schülern das Arbeiten mit dem Rechner in speziell
eingerichteten Computerräumen oder am eigenen Notebook im
Klassenraum
ermöglicht wird, ist grundsätzlich egal.
Das eigene Notebook bietet dabei
jedoch erhebliche Vorteile:
- Das
Notebook steht ständig zur Verfügung, auch
für den Einsatz während
kurzer Zeiträume (z.B. schnelle Internetrecherche oder
Zeichnen eines
Funktionsgraphen).
Der
Gang zum Computerraum dagegen ist mit organisatorischen Schwierigkeiten
versehen (Belegung des Raumes, Zeitverlust beim Aufsuchen des Raumes,
Fehlfunktionen einzelner Rechner) - Auf
dem eigenen Notebook kennen sich die Schüler aus. Aufgaben
können so
sehr schnell erledigt werden und stehen für die Arbeit zu
Hause oder in
den nächsten Stunden nach Abspeichern unmittelbar wieder zur
Verfügung.
Im Computerraum finden die Schüler dagegen häufig
ungewohnte und wechselnde Rechneroberflächen vor.
Eigene
gespeicherte Ergebnisse sind möglicherweise zwischenzeitlich
gelöscht
worden, stehen nicht zu Hause zur Verfügung oder sind oft
nicht
kompatibel zu den zu Hause verwendeten Programmen. - Für
die nutzbringende Arbeit mit dem Computer ist wichtig, dass der Rechner
zum normalen Werkzeug wird und nicht eine exotische Sonderstellung
einnimmt.
Das
kann aber nur mit einem eigenen Gerät gelingen, an dessen
Bedienung und
dessen Funktionsweise man sich in täglichem Kontakt
gewöhnt.
Gibt
es nun einen besonderen Nutzen beim Einsatz von Notebooks im Unterricht
über die grundlegende Erlangung von Grundkompetenzen im Umgang
mit dem
Computer hinaus?
Ich kann dazu nur für
meine Fächer Mathematik, Physik und Informatik Stellung nehmen.
Da das Fach Informatik u.a. Hardware und
Programmierung zum Unterrichtsgegenstand hat, erübrigt sich
eine Betrachtung zu diesem Fach.
In der Mathematik kann der Computer
vielfältig als Werkzeug eingesetzt werden.
Zu
beachten ist dabei, dass die Schülerinnen und Schüler
alle
Qualifikationen besitzen müssen, die sie auch ohne
Computereinsatz
beherrschen müssen, also z.B. Kopfrechnen, Herleitungen mit
Kopf/Bleistift/Papier, Konstruktionen mit Zirkel und Lineal.
Die
folgende Aufstellung ist unvollständig und enthält
nur Beispiele, bei
denen ein zusätzlicher Nutzen zum Unterricht ohne
Computereinsatz
vorhanden ist:
- Die
Beziehung zwischen Funktionsgleichungen und ihren Graphen kann
"experimentell" durch vielfaches Ausprobieren von den Schülern
in
Eigenarbeit ermittelt werden.
- Probleme aus dem
alltäglichen
Leben, die auf Grund komplexer Zusammenhänge für eine
Behandlung
mittels Kopf/Bleistift/Papier zu schwierig sind, können durch
exakte
oder näherungsweise Berechnung oder Simulation mit Hilfe des
Computers
gelöst werden.
- Untersuchungen in der
Stochastik können mit
einem großen Stichprobenumfang realisiert werden. Statt z.B.
50 mal
real zu würfeln kann mit Zufallszahlen und "Würfeln"
unterschiedlicher
Eigenschaften eine nur von der Rechenkapazität des Computers
beschränkte Wurfzahl genutzt werden.
- In
der Geometrie können Zeichnungen dynamisch verändert
werden.
Die
Schüler gewinnen dabei in Eigenarbeit Informationen, die sie
sonst nur
durch Zeichnen mehrerer 100 oder 1000 Zeichnungen erhalten
würden. - Rechnungen,
die nach einem bestimmten Schema ablaufen, dabei aber keine neuen
Erkenntnisse vermitteln, können mit dem Computer
durchgeführt werden.
Damit bleibt mehr Zeit für qualitativ höher stehende
Aktivitäten (Modellieren, Beweise u.a.).
Ein Beispiel ist hierfür das Lösen von
Gleichungssystemen mit mehr als 2 Unbekannten.
Das Rechenschema (z.B. Gaußverfahren) ist immer gleich, neue
Erkenntnisse ergeben sich beim Rechnen nicht.
Das Ergebnis ist dann dagegen wert, genauer betrachtet zu werden.
- Die
Schülerinnen und Schüler können in weit
höherem Maße durch eigenes
Arbeiten selbstständig zu Ergebnissen kommen, da viele
Schwierigkeiten,
die bei Rechnungen oder Zeichnungen auftreten, die für das
behandelte
Problem aber nicht relevant sind, vom Computer erledigt werden.
So
bleibt beim Lernprozess Zeit für das jeweils zu untersuchende
Problem,
während Störgrößen (Rechenfehler,
ungenaue Zeichnungen) eine
untergeordnete Rolle spielen.
Auch in der Physik lässt sich der
Computer für zusätzliche Aktivitäten und
Kompetenzgewinnung vielfältig einsetzen.
Hier nur einige wenige Beispiele:
- Erkenntnisse
aus der geometrischen Optik (Lichtstrahl, Brechung, Linsen usw.)
können
von den Schülern mathematisch modelliert und mit dynamischer
Geometriesoftware simuliert werden.
In
Eigenarbeit können die Schülerinnen und
Schüler dabei das Wechselspiel
zwischen theoretischen Überlegungen und realen Versuchen zur
Erkenntnisgewinnung nachvollziehen. - Messergebnisse
von Messungen mit Messinterfaces können leicht auf die Rechner
der
Schülerinnen und Schüler übertragen und dort
von ihnen in Eigenarbeit
ausgewertet werden.
Dabei
sind durch die Möglichkeiten der graphischen Auswertung auch
Versuchsauswertungen möglich, die keine rein rechnerische
Auswertung
durch die Schüler erlauben (z.B. beim Auftreten von
Differentialgleichungen).
Der Computer bietet dabei erheblich mehr Möglichkeiten als
grafikfähige Taschenrechner. - Theoretische
Herleitungen in der Sek.II können durch Visualisierung so
unterstützt
werden, dass die Schülerinnen und Schüler
selbstständig wichtige
Abhängigkeiten entdecken können.
Beispiel:
Unter welchem Winkel muss man einen Tennisball aus
Schulterhöhe werfen,
damit er unter Berücksichtigung des Luftwiderstandes
möglichst weit
fliegt? - Untersuchung von umfangreichen Messreihen
auf Fehler.
In
einem Tabellenkalkulationsprogramm können die
Schülerinnen und Schüler
z.B. selbst untersuchen, welche von mehreren
Messgrößen fehlerhaft
gemessen wurde und ob es sich ggf. um systematische Messfehler handelt.
- Versuchs- und Unterrichtsprotokolle waren seit Generationen
bei den Schülerinnen und Schülern unbeliebt.
Die
Aufarbeitung mit Hilfe des Computers (Textverarbeitung,
Einfügen von
Grafiken und Tabellen, ansprechende Formatierung des Textes) wird von
vielen Schülern dagegen gern und freiwillig erledigt.
- Referate
zu bestimmten Themen werden gern übernommen, wenn sie dann mit
Hilfe
eines Präsentationsmoduls vorgetragen werden dürfen.
Zusammenfassend stelle
ich fest:
- Der Computer
besitzt einen festen Platz in unserer Arbeitswelt und in der Freizeit.
- Computerkenntnisse sind in jedem höher
qualifizierten Beruf unerlässlich.
- Der
Computer ermöglicht uns eine große Erweiterung
unserer Denkleistung.
- Die
Schule muss die sich durch den Computer ergebenden
Möglichkeiten zur
Förderung des Lernerfolgs der Schülerinnen und
Schüler nutzen.
- Eigene Computer sind zur
Verwirklichung der angestrebten Ziele wirksamer als Rechner in
Computerräumen.
- Zur Zeit bieten
Notebooks die beste Realisierung für einen Unterricht mit dem
Arbeitsmittel Computer.
- In der Zukunft
müssen die benutzten Notebooks kleiner, leichter und billiger
werden.
Den
Schülerinnen und Schülern der Notebook-Klassen muss
dabei klar sein:
- Der Computer
erledigt nicht die Aufgaben, sondern er hilft dabei.
- Der
Computer wird so benutzt wie z.B. ein Atlas, ein Zirkel oder ein
Sportgerät:
Man benutzt den Gegenstand, wenn man ihn benötigt, danach wird
er weggelegt oder jedenfalls nicht beachtet. - Bei
der Arbeit ist Ablenkung durch den Computer eine große
Gefahr.
Diese
Gefahr ist aber nicht größer als die Ablenkung durch
viele andere Dinge
und muss durch die Schülerinnen und Schüler
kontrolliert werden.
Auch die Bewältigung dieser Gefahr ist ein Lernerfolg beim
Einsatz des Notebooks.
Sind
Sie anderer Meinung als ich? Möchten Sie etwas
ergänzen? Über eine Mail würde ich mich sehr
freuen: gfs@khmeyberg.de